Aus demselben Glas trinken?
Nicht, dass dies jetzt zu den lebenswichtigen Dingen gehört (und ich werd´s auch noch eine Zeitlang aushalten), aber irgendwie vermissen tu ich es schon: das Trinken aus derselben Bierflasche, das Kosten vom Teller des Gegenübers, das Nippen am Glas des anderen…
Kann man irgendwie nicht mehr machen, jedenfalls nicht so ganz unbedenklich. Außer natürlich die Abgebrühten unter uns. Ich bin nicht abgebrüht. Ich genieße sogar ein wenig den Abstand zu mir unbekannten Personen: im Theater oder Konzertsaal finde ich es richtig angenehm Platz zu haben. Für Tasche, Füße, Gedanken…
Was mir fehlt ist das Händeschütteln, eine große Geste finde ich. Ein respektvolles „Ich sehe dich, ich bin jetzt da.“ Es gibt in unserem Kulturkreis nichts Vergleichbares. Alternativlos ist der Händedruck, auf ihn freue ich mich besonders, nach dieser Corona-Zeit.
Auf was freue ich mich noch? Auf das Chorsingen in „Wabenstellung“ (damit können jetzt nur wenige was anfangen, ich weiß), auf unbeschwerte Begegnung mit unseren Lieben. Nähe, Umarmung, diese Leichtigkeit einer Berührung.
Es geht uns wohl allen gleich…
Ich wollte auch von meinem Umfeld wissen, auf welche Dinge sie sich am meisten freuen, wenn die Krise ausgestanden ist. Durchwegs wurden Dinge genannt, welche den Menschen zum Menschen machen: nette Festln feiern, tanzen, herzliche Begrüßungen & Verabschiedungen, spontane Theater- und Kinobesuche, die Unbeschwertheit in jeder Begegnung, das Umarmen in Freude, Schmerz und Trauer.
Ich fand all die Antworten sehr berührend, sie zeigen, dass wir andere Menschen wieder unbeschwert wahrnehmen wollen. Wahrnehmen bedeutet „ich sehe dich“, eine wichtige Stufe am Weg zur WERTSCHÄTZUNG.
Ich muss also zuerst jemanden wahrnehmen um zur Königsdisziplin, der Wertschätzung zu gelangen. An diesem Thema lohnt es sich doch dranzubleiben oder?
Noch einmal ein bisschen frech und unbeschwert denken: Was uns bleibt ist der Schnaps, der ja bekanntlich desinfiziert, den kann man doch unbedenklich aus demselben Flachmann trinken….
….,und während wir an Unbeschwertheit denken fällt uns noch ein Spruch von Albert Camus ein:
Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.
Melanie Siegele
28. Oktober 2020
Wunderschöne Zeilen liebe Geli.
Bitte bleib an Deinem Schreiben dran!
Das ist so wertvoll….