Hätte ich meine Mutter retten können?
Heute möchte ich euch von einem ergreifenden Buch erzählen. Edith Eva Eger, eine Holocaustüberlebende und einundneunzigjährige Psychotherapeutin, fesselte mich mit ihren Gedanken ungemein.
In-Ich bin hier und alles ist jetzt /Warum wir uns jederzeit für die Freiheit entscheiden können-nimmt sie die Leser mit auf die Reise in ihr Aufwachsen in Ungarn, das Grauen in Ausschwitz und ihre Flucht nach Amerika. Sie lebt, gründet eine Familie, arbeitet als Lehrende und Psychotherapeutin. Erst nach vielen Jahren gelingt es ihr über ihre Ausbildung und die Begegnung mit den Geschichten der Menschen, ihre eigenes Trauma zu heilen.
Ein spannendes Buch für alle
Einen Absatz möchte ich für unser Aufleben zitieren, weil er so tröstlich ist und zeigt, dass wir auch oder gerade trotz dunkler Stunden, das Leben befreien können. Als sie, ihre Schwester und ihre Mutter in Ausschwitz ankommen, wird Edith gefragt, ob das ihre Mutter oder Schwester sei- sie sagt, ihre Mutter. Darauf kommt ihre Mutter in die Reihe derer, die sofort vergast werden.
„Hätte ich meine Mutter retten können? Vielleicht. Und mit dieser Möglichkeit werde ich mein ganzes, restliches Leben verbringen. Und ich kann mich kasteien, dass ich die falsche Entscheidung getroffen habe, als ich hungrig und verängstigt war, als wir von Hunden, Pistolen und Ungewissheiten umgeben waren, als ich sechzehn war- es ist die Entscheidung die ich jetzt treffe.
Die Entscheidung mich so zu akzeptieren, wie ich bin: menschlich und unvollkommen.
Und die Entscheidung, für mein eigenes Glück verantwortlich zu sein. Mir meine Unvollkommenheit zu vergeben und meine Unschuld einzufordern. Nicht mehr zu fragen, warum ausgerechnet ich überlebt habe. Zu funktionieren, so gut ich kann, mich dafür einzusetzen, anderen von Nutzen zu sein, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um meine Eltern zu ehren, mich darum zu kümmern, dass sie nicht vergebens gestorben sind. Mit meinen beschränkten Möglichkeiten mein Bestes zu geben, damit zukünftige Generationen nicht das erleben müssen, was ich erlebt habe. Nützlich zu sein, gebraucht werden, weiterzuleben und erfolgreich zu sein, damit ich jeden Augenblick nutzen kann, um eine bessere Welt zu schaffen. Und am Ende, am Ende nicht mehr vor der Vergangenheit davonzulaufen. Nach Möglichkeit alles zu tun, um mich mit meiner Vergangenheit zu versöhnen und sie dann zu erlösen.
Ich kann die Entscheidung treffen, die wir alle treffen können. Ich werde die Vergangenheit niemals ändern können. Aber es gibt ein Leben, das ich retten kann:
Es ist mein Leben. Das Leben, das ich gerade jetzt lebe, diesen kostbaren Augenblick.“